Das Mölltal und ich

 

Ich komme aus Döllach im Mölltal, Kärnten, Österreich. Mein Heimatort liegt über 1000 m Seehöhe, deshalb kann ich sagen, dass ich schon mit 6 Jahren in die Hochschule gekommen bin, Wenn ich also alles berechne, habe ich ca. 20 Jahre für mein Medizinstudium gebraucht. Meine erste Fremdsprache, die ich lernte, war Deutsch, mittlerweile habe ich aber schon wieder viel vergessen, weil ich mich mit meinen Patienten ausschließlich in meiner Muttersprache unterhalte. In Döllach bin ich als Retschitzer Joggl Tone bekannt, mein Vater ist also der Retschitzer Joggl und ich bin sein Tone. (Anton Suntinger gibt es ca. 15)

 

Ich bin aber nicht in meinem Heimatort geblieben, weil mir dort die Leute nichts glauben würden. Eine alte Nachbarin hat gemeint: „So kindisch und so was will a Doktor sein“. Eine Bäurin meinte zu meiner Promotion: „Der Doktor der Medrizin (kein Druckfehler), die G’sunden macht er krånk, und die Krånkn hin.“ Die Pfarrersköchin Marianne hatte Schmerzen im linken Unterbauch, sie fragte mich, ob dort der Blinddarm sei. Als ich antwortete, auf der rechten Seite, fragte sie mich, ob ich da ganz sicher sei. Ich war nicht im ersten Semester, sondern hatte schon den med. univ. und zum univ. gehört schließlich auch der Blinddarm mit seinem berühmten Fortsatz. So wusste ich, aus mir wird kein Bergdoktor. Ich kam also ins flache Land, wo mein hoher Ery-Wert ein echtes Doping ist.

 

Sehr interessant finde ich die Mölltaler Geografie. Es gibt nur zwei Richtungen, nämlich aufe und åbe (hinauf und hinunter). Das obere Mölltal erstreckt sich von Heiligenblut bis Winklern. Alles unter Winklern ist unten, und von den Leuten, die dort wohnen, sagen wir: Die sind von unten aufa. Dabei unterscheiden wir nicht, ob jemand von Stall, einem Ort im mittleren Mölltal, kommt, oder von Südafrika, für uns obere Mölltaler sind sie alle ‚von unten aufa’. Übrigens behaupten viele Mölltaler, dass auch Jesus ein Mölltaler war, weil er ja in Stall geboren wurde.

 

Wir Mölltaler sind sehr naturverbundene Menschen, mein Vater hat  bei vielen Tätigkeiten immer Wert darauf gelegt, dass alles im ‚rechten Schein’, passiert, also nach dem richtigen Stand des  Mondes. Beim Streichen des Holzes, beim Haar- und Nägelschneiden, beim Schlachten, beim Setzen und Ernten und zwangsläufig auch beim Zeugen wurde auf den richtigen Zyklus geachtet. Mein Cousin Zenz ist Totengräber und er hat dazu gemeint: „Der Joggl, also mein Vater, kann schauen, dass er im rechten Schein stirbt, sonst ist er nach 14 Tagen wieder oben auf.“ Zenz hat einmal bei einer Hochzeit über einen sehr hageren Bräutigam gemeint: „Da hab’ ich schon Feistere ausgegraben.“ Ein Döllacher, der in Deutschland gelebt hat und dort verstorben ist, wurde ins Mölltlal überführt. Zenz hat das folgendermaßen kommentiert: „Jetzt bringen’s mir die Deutschen auch schon.“  Bei einem Begräbnis hat einmal das Pferd, das den hölzernen Wagen mit dem Sarg zieht, beim Einsetzen der Musik gescheut. Mein Vater hat es uns Kindern so erzählt: „Der Hund håt gebockt wie Schwein.“  (Als blumige Ausdrucksweise könnte man das nicht unbedingt bezeichnen)

 

Das war ein kleiner Einblick in die Mölltaler Seele

 

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