Terminologie und Mythologie

 

Viele Termini in der Medizin und Botanik kommen aus der griechischen Mythologie. Mythos bedeutet Erzählung, Bericht, Gedanke, Gerücht, Legende, Fabel, Märchen. So können wir uns durchaus vorstellen, dass es in vielen Praxen, außer den AK-Praxen natürlich, sehr mythisch zugeht, wenn es um die Erzählungen geht, die den Patienten bezüglich ihrer Krankheiten und deren Ursachen aufgetischt werden.

Wir kennen das Caput medusae als medizinischen Fachbegriff, die paraumbilikale Venenerweiterung als Umgehungskreislauf von der Pfortader zur V.cava inferior bei portaler Hypertension. Die Medusa war jenes weibliche Ungeheurer mit den starren Augen, dem zum Schrei aufgerissenen Mund und mit den Schlangen am Kopf statt der Haare, bei dessen Anblick man sofort versteinerte. Vielleicht haben die dieses Krankheitsbild beschreibenden Pathologen gar nicht so übertrieben, wenn  wir an den versteinerten Blick einiger Internisten bei Betrachten des Caput medusae denken.

Die Liebesgöttin Aphrodite lebt in den Aphrodisiaka, den Geschlechtstrieb und die Potenz fördernden Mitteln, weiter. Die Aphrodisia  waren ein panhellenistisches Fest zu Ehren der  Liebesgöttin. Mit diesem Fest waren ein Festmahl, Tänze, athletische Wettkämpfe und die Einnahme anregender Rauschmittel, der sogenannten Aphrodisiaka eben, verbunden. Im Laufe der Geschichte wurden immer wieder Wundermittel angepriesen, bei denen man sich eher gewundert hat, dass sie nicht die erwünschte Standhaftigkeit gebracht haben: Petersilie, Muskatnuss, Stranddistel, die Spanische Fliege, zerriebenes Horn eines Nashorns usw. Eventuell könnten weiterführende Studienaufenthalte bei Beate Abuhse mehr Klarheit bringen. Bei den Arabern sehr beliebt ist das Bohnenkraut, Satureja hortensis, dessen Name sich von den Satyrn, jenen lüsternen dämonischen Mischwesen, menschengestaltig, aber mit Rossschweifen und Bocksbeinen, ableiten soll. Verlässlicher sind sicher die neueren hochbekannten Mittel wie Viagra, die den Männern aber teuer zu stehen kommen.

Bleiben wir noch ein bisschen bei Aphrodite. Ihr Sohn Priapos, dessen Vater Dionysos, der Gott des Weines, war, hatte jene unglückselige, dauerhafte und schmerzvolle Schwellung seiner Corpora carvernosa, die den Urologen als Priapismus ein Auftrag ist.

Ein weiterer Sohn von Aphrodite ist als Hermaphroditos in die Mythologie eingegangen, in der Medizin hat er den Ausdruck Hermaphroditismus  geprägt. Er war der wunderschöne Sohn von Aphrodite und Hermes, in den sich die Quellennymphe Salmakis glühend verliebte. Als er ihre Werbung zurückwies, umschlang sie ihn und bat die Götter, sie mit ihm auf ewig zu vereinen. Ihr Wunsch wurde erfüllt: Die beiden verschmolzen zu einem Zwitterwesen.

Für die Anatomen unter uns muss natürlich des größten Helden der Griechen, Achill, gedacht werden. Achilleus ist der Sohn des Peleus und der Meeresnymphe Thetis Als Sohn eines menschlichen Vaters und einer göttlichen Mutter war er sterblich. Thetis versuchte aber, ihn zumindest unverwundbar zu machen, und tauchte ihn in den Styx, den Fluss, der die Unterwelt von der Oberwelt trennt. Die Stelle an der Ferse, an der sie Achill mit der Hand hielt, blieb jedoch vom Wasser des Flusses unbenetzt und wurde so zur einzigen verwundbaren Stelle. So konnte Paris den tödlichen Pfeil, gelenkt von Gott Apoll, auf die wohl berühmteste Ferse der Literatur, die Achillesferse, abschießen. Dort setzt die Achillessehne an, die leider bei älteren, aber noch sehr sportlichen Herren sehr leicht reißen kann.

Nach Achill ist auch eine Pflanze benannt, nämlich die Schafgarbe, Achillea millefolium. Der Kentaure Chiron, jenes Wesen, halb Mensch, halb Pferd, war der Lehrer von Asklepios, Achill und weiterer Helden. Er brachte ihnen vor allem die blutstillende Wirkung der Schafgarbe nahe, die deswegen auch Soldatenkraut heißt. Nicht zu verwechseln mit dem Franzosenkraut, das ist eine andere Geschichte.

Dieser weise Kentaure lebt auch im Tausendgüldenkraut, Centaurium erythraea, weiter. Centaurium wurde fälschlicherweise als centum für  hundert und aurum für Gold übersetzt und gleich noch um eine Zehnerpotenz wirksamer, also zu Tausendgüldenkraut gemacht.

Abschließend möchte ich noch die Büchse der Pandora erwähnen, aus der alle Plagen in die Welt gekommen sind. Der Hauptinhalt der Büchse ist derzeit wohl die Schweinegrippe. Wer diese dort hineingegeben und wer den Deckel geöffnet hat, bleibt wohl im Dunkel der Mythologie verborgen. Das bleibt Fama, oder habe ich vielleicht das Wort nicht richtig geschrieben?

 

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